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Notfallvorsorge im Unternehmen: Was tun, wenn der Inhaber ausfällt?

Wenn der Inhaber der Physiotherapie-Praxis bzw. des Therapieunternehmens unerwartet länger ausfällt, kann der Betrieb schnell in Existenznöte geraten. Ein Notfallordner hilft, auf diese Situation vorbereitet zu sein.

Autor:

Jürgen Kolatus

Medium:

Ausgabe 03/ 2019 der „Therapie + Praxis“*

Ein Beispiel

Markus M. ist Inhaber einer Physiotherapie-Praxis mit 6 Mitarbeitern, die als Einzelunternehmen geführt wird. Seine Ehefrau Marta M. macht die Buchführung. Außerdem hat Herr M. zwei minderjährige Kinder. Herr M. ist begeisterter Rennradfahrer. Bei einer Radtour mit seinen Rennradkollegen kommt es zu einem Unfall. Herr M. stößt mit einem Autofahrer zusammen, erleidet eine schwere Kopfverletzung und fällt ins Koma.

Eine Notfallplanung und Vollmachten in der Physiotherapie-Praxis bzw. im Therapieunternehmen gibt es nicht. Der Betrieb ist kopf- und führungslos.

Frau M. stellt beim Betreuungsgericht (Amtsgericht) einen Antrag, um als Betreuerin eingesetzt zu werden. Das Gericht verweist auf eine Bearbeitungsdauer von 3-6 Wochen und informiert darüber, dass auch ein Fremdbetreuer eingesetzt werden kann.

In der Folge weigert sich die Bank ohne Vollmacht und nachgewiesener Betreuerstellung Verfügungen der Ehefrau auszuführen. Dadurch können Zahlungsziele nicht eingehalten werden – Lieferanten stoppen die Materiallieferungen. Gehälter können nicht gezahlt werden. Auch die Krankenkasse droht wegen nichtgezahlter Sozialversicherungsbeiträge mit Insolvenzantrag.

Für die Physiotherapie-Praxis und deren Mitarbeiter ist dies eine existenzgefährdende Situation.

Die Folgen und was es zu beachten gibt

Erleidet der Praxis-/ Unternehmensinhaber ein plötzliches Ereignis wie Unfall, schwere Erkrankung oder Tod, besteht vorübergehende oder dauerhafte eine Handlungs-/Geschäftsunfähigkeit.

Wer handelt und führt die Physiotherapie-Praxis bzw. das Therapie-Unternehmen fort?

  • Ein vom Betreuungsgericht bestellter Betreuer!

Warum?

  • (§ 1896 BGB) Volljährige, die aufgrund eine psychischen Erkrankung, einer körperlichen Erkrankung, aufgrund des Alters oder Unfalls
  • dauernd oder für längere Zeit außerstande sind ihre Geschäfte zu besorgen (Geschäftsunfähigkeit)
  • erhalten einen vom Betreuungsgericht bestellten Betreuer als gesetzlichen Vertreter
  • Achtung: Ehegatten, Lebensgefährten, Kinder oder Eltern sind nicht automatisch Vertreter für eine volljährige Person

Die Vorsorgevollmacht

Es kann sein, dass Sie irgendwann nicht mehr für sich selbst entscheiden können. Vielleicht weil Sie krank sind oder eine Behinderung haben. Wenn Sie keinen gerichtlichen Betreuer haben wollen, kann eine Vorsorgevollmacht das Richtige für Sie sein. Damit legen Sie fest, wer für Sie wichtige Entscheidungen trifft. Dann entscheidet ein Mensch für Sie, den Sie selbst bestimmt haben.

Mit einer Vorsorgevollmacht vermeiden Sie die gerichtliche Anordnung einer Betreuung und Einsetzung eines fremden Betreuers.

Die Betreuungsverfügung

Eine Betreuungsverfügung ist sinnvoll für Menschen, die selbst nicht mehr entscheiden können. Zum Beispiel nach einem Unfall, einem Schlaganfall oder bei Demenz. Die Betreuungsverfügung sollten Sie deshalb schreiben, wenn Sie es noch können. In der Betreuungsverfügung können Sie Ihre Wünsche und Vorstellungen festhalten. Sie können bestimmen

  • wie Sie betreut werden möchten
  • wer Ihr Betreuer sein soll oder wer auf keinen Fall
  • wo und wie Sie wohnen wollen
  • ob Sie bestimmte medizinische Eingriffe nicht wollen, wie zum Beispiel das Legen einer Magensonde

Sie können zudem beispielsweise auch bestimmen, dass der Betreuer Ihren Verwandten zu Weihnachten Geschenke schicken soll. Der Betreuer kauft die Geschenke dann von Ihrem Geld.

Die Betreuungsverfügung ist also eine Art Absicherung, falls man einmal eine rechtliche Betreuung braucht.

Die Patientenverfügung

Eine Patientenverfügung ist eine Art Anweisung für Ärzte. In diese Anweisung schreibt man, welche Behandlung der Arzt vornehmen darf und welche nicht. Zum Beispiel, dass der Arzt keine Magensonde zur künstlichen Ernährung legen darf. Die Patientenverfügung ist dann wichtig, wenn jemand selbst nicht mehr sagen kann, welcher Behandlung er zustimmt oder nicht. Zum Beispiel wenn jemand einen Unfall hatte und im Koma liegt. In Deutschland kann jeder Mensch über 18 Jahre eine solche Anweisung schreiben.

Ist alles geregelt, bleibt das Unternehmen handlungsfähig. Die Ehefrau kann für Betrieb rechtsgeschäftliche Erklärungen abgeben. Sie verwendet die Vollmacht für Überweisungen von Löhnen und Miete und zum Abschluss neuer Verträge.

Der Ausfall von Herrn M. führt in diesem Falle zu Beeinträchtigungen, aber die Existenz der Physiotherapie-Praxis wird nicht gefährdet. Wichtig ist aber auch zu klären, wer im Notfall die Praxis vorübergehend oder dauerhaft weiterführen könnte.

Lösung: Der Notfallordner

Legen Sie als Praxisinhaber einen Notfallordner an. Dabei ist es sinnvoll, Familienangehörige und eventuell Mitarbeiter in den Notfallplan einzubeziehen und diese Personen über die Existenz des Notfallordners zu informieren.

Was gehört in den geschäftlichen Notfallordner?

  • Übersicht wichtiger Patienten
  • Übersicht bestehender Bankkonten
  • Versicherungsverträge
  • Gesellschaftsverträge u. Gesellschafterbeschlüsse
  • Handelsregister- / Grundbuchauszüge
  • Mietverträge
  • Kredit- und Leasingverträge
  • Schlüsselverzeichnis
  • Gewerbliche Schutzrechte
  • Betriebliche Mitgliedschaften
  • Digitaler Nachlass:
    • Benutzernamen
    • Passwörter

Das Gleiche gilt natürlich auch für den privaten Bereich.

Was gehört in den privaten Notfallordner?

  • Vermögensaufstellung
  • Übersicht bestehender Bankkonten / Schließfächer
  • Versicherungsverträge
  • Grundbuchauszüge
  • Mietverträge
  • Kredit- und Leasingverträge
  • Vorsorgevollmacht / Patientenverfügung / Betreuungsverfügung
  • Testament
  • Schlüsselverzeichnis
  • Private Mitgliedschaften
  • Digitaler Nachlass:
    • Benutzernamen
    • Passwörter

Der Notfallordner sollte vom Praxisinhaber in regelmäßigen Abständen (bestmöglich jährlich) auf seine Aktualität überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.

Es ist auch sinnvoll, den Ernstfall eines Inhaber-Ausfalls einmal durchzuspielen, um etwaige Schwachstellen des Konzepts zu erkennen.

Ganz wichtig: Sichern Sie sich im Falle eines Ausfalls mit einer Krankentagegeld-, Berufsunfähigkeits- sowie einer Dread-Disease-Versicherung (bei schweren Krankheiten) ab. Im schlimmsten Fall entlasten Sie so die finanzielle Belastung der geschädigten Person bzw. den für die geschädigte Person handelnden Vertreter enorm.

Fazit

Der Notfallordner soll Anregung, Orientierung und Werkzeug zugleich sein, die wichtigsten Regelungen konkret umzusetzen.

Wer nicht frühzeitig zu Lebzeiten vorsorgt, gefährdet im Notfall das Überleben des Physiotherapie-Unternehmens. Um eine ausreichende Vorsorge zu treffen, sollte Klarheit über grundsätzliche Überlegungen bestehen:

  • Wie soll die Zukunft des Unternehmens aussehen?
  • Welche Interessen verfolgt der Unternehmer?
  • Welche familiären und unternehmerischen Ziele gibt es?

Prüfen Sie außerdem, ob sich diese Vorstellungen in vertraglichen Regelungen, wie zum Beispiel Ehevertrag, Erbvertrag, Testament oder Gesellschaftsvertrag eindeutig widerspiegeln. Oder gibt es Anpassungsbedarf? Welche Regelungen würden im Notfall eintreten, wenn die für die individuelle Lebenssituation des Unternehmers relevanten Verträge noch nicht existieren?

Zur Prüfung, Beratung und Ausgestaltung empfiehlt es sich dringend, den Rat eines Anwalts und/oder Notars einzuholen. Hierzu bieten wir entsprechende Lösungen.

*Kostenpflichtig über den VDB-Physiotherapieverband zu erwerben.

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