Physiotherapeut-in

Vorübergehend geschlossen – die dritte Welle kommt

Während dieser redaktionellen Beitrag für die Therapie & Praxis geschrieben wird, rollt die dritte Corona-Welle auf Deutschland zu. Ein neuer Lockdown mit weitreichenden Maßnahmen steht bevor. Bund und Länder werden darüber diskutieren und eventuell die vereinbarte Notbremse ziehen. Inwieweit Therapeuten mit neuen Bestimmungen betroffen werden wissen wir nicht.

Autor:

Jürgen Kolatus

Medium:

„Therapie + Praxis“*

Betriebsschließung – kann ich mich dagegen absichern?

Das Coronavirus beherrscht nach wie vor unser Leben. Für uns alle ist die aktuelle Situation eine besondere Herausforderung. Aufgrund der völlig neuen Situation ist eine übergreifende Antwort auf die Frage nach der korrekten Versicherungslösung für den Pandemiefall leider nicht möglich. Hinzu kommt, dass kein Versicherer in der Lage wäre, das enorme Schadenausmaß einer Pandemie alleine zu tragen.

Praxisinhaber müssen sich daher entsprechend auf einen Schadenfall vorbereiten,  Hygienestandards und Pandemiepläne entwickeln und vorhandene Policen auf die individuelle Situation überprüfen. Unterstützung sollten Kunden dabei bei ihren Versicherungsberatern mit Blick auf den vorhandenen Versicherungsschutz einholen.

Grundsätzlich gilt, ist ein Betriebsschließungsversicherung vereinbart und wie sehen dazu die Versicherungsbedingungen aus? Es gibt keine Standards. Betriebsschließungsverträge gibt es nicht bei allen Versicherungsunternehmen und zudem haben die Gesellschaften, bei denen es diese Verträge gibt, individuelle Bedingungen.

Da Physiotherapiepraxen unter den aktuell geltenden Corona-Beschränkungen vollständig geöffnet sind, besteht wahrscheinlich kein Anspruch auf Entschädigungsleistungen.

Welchen Nutzen und welche Leistungen bietet eine Betriebsschließungsversicherung?

Wann leistet eine Betriebsschließungsversicherung?

Der Versicherungsleistung wird fällig, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) bei einem Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger  den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte vollständig schließt oder auch Tätigkeitsverbote gegen Betriebsangehörige gleichstellt.

Was sind meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger?

Je nach Versicherungsbedingungen gelten die in §§ 6 und 7 des IfSG genannten Krankheiten und Krankheitserreger als Auslöser für die Versicherungsleistung. Auszugsweise sind dies

  • Cholera
  • COVID-19
  • Diphtherie
  • Keuchhusten
  • Masern
  • Tollwut
  • Windpocken
  • Ebolavirus
  • Gelbfiebervirus
  • Salmonellen
  • SARS-CoV-2

Konkret kann in Betriebsschließungspolicen auch darauf verwiesen werden, dass im Zusammenhang mit einer seucheartigen Ausbreitung (Epedemie, Pandemie) der Krankheitserreger bzw. Krankheiten kein Versicherungsschutz besteht.

Besteht Versicherungsschutz für meinen Betrieb?

Das ist gut möglich – hier ist der vorhandene Versicherungsvertrag zu prüfen. Bestehende Verträge sind eventuell leistungspflichtig. Dazu müssen die jeweiligen Vertragsbedingungen beurteilt werden. In der Betriebsschließungsversicherung muss aber mindestens eine zusätzliche Deckungserweiterung für behördliche Schließungen nach dem Infektionsschutzgesetz vereinbart sein.

Welche Behörde ist zuständig für eine Schließung und hat die Zuständigkeit Auswirkung auf meinen Versicherungsschutz?

Maßnahmen zur Schließung von Unternehmen dürfen die Bundesländer aufgrund des des IfSG erlassen. Dort ist unter anderem auch geregelt, dass die jeweiligen Landesregierungen durch Rechtsverordnungen bestimmen können, welche Behörden entsprechende Gebote und Verbote aussprechen dürfen. In den letzten Wochen wurden zahlreiche Rechtsverordnungen erlassen, in denen diese Zuständigkeiten geregelt wurden. So gibt es in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Regelungen. Alle Regelungen haben aber gemeinsam, dass Schließungen von Gesundheitsministerien, den Landesregierungen oder unteren Behörden angeordnet wurden. Auf den Versicherungsschutz hat die Zuständigkeit in der Regel keine Auswirkung, weil sämtliche Schließungen von den “zuständigen Behörden” angeordnet wurden.

Welche Anzeigepflichten hat der Praxisinhaber zu beachten?

Zunächst sollte man sehr genau seinen Vertrag prüfen oder einen Spezialisten hinzuziehen. Viele Versicherer haben unterschiedliche Anzeigepflichten geregelt, die beachtet werden müssen, um den Versicherungsschutz nicht zu gefährden. Zum einen muss der Versicherungsfall, nämlich die Schließung, unverzüglich der Versicherungsgesellschaft angezeigt werden. Zum anderen verlangen aber auch einige Gesellschaften, dass man entsprechende Meldungen an die Behörden (oft die Gesundheitsämter) vornehmen muss. Schließlich verlangen Versicherer teilweise, dass etwaige Entschädigungsansprüche nach dem IfSG bei den zuständigen Behörden angemeldet werden. Das sollte ebenfalls unverzüglich erfolgen. Idealerweise lassen Sie sich dazu von Anfang an durch einen spezialisierten Vermittler oder Rechtsanwalt (Fachanwalt für Versicherungsrecht) beraten, um nicht durch Fristversäumnisse den Versicherungsschutz zu gefährden.

Welche Leistungen erhalte ich aus der Betriebsschließungsversicherung?

Das liegt daran, was vereinbart ist. Wenn ein Mitarbeiter wegen SARS Covers-2 (Corona) in Quarantäne ist, dann übernehmen viele Versicherer dessen Lohnkosten, soweit diese nicht über Kurzarbeit vom Staat übernommen werden. Wenn der ganze Betrieb schließen muss, werden meistens bestimmte Tagessätze für den Zeitraum gezahlt, der mit der Versicherung vereinbart ist. Es gibt aber auch Versicherungsbedingungen, die vorsehen, daß für den im Versicherungsvertrag vereinbarten Zeitraum,  die weiterlaufenden Kosten und der Gewinn gezahlt werden, der Ihnen im Schließungszeitraum entgangen ist.

Können Entschädigungsansprüche nach dem IfSG vom Versicherer verweigert werde?

Es kann in den Policen vereinbart sein, dass keine Versicherungsleistung erbracht wird, wenn aufgrund der Schließung ein Entschädigungsanspruch bei den entsprechenden Behörden besteht. Ein solcher Entschädigungsanspruch dürfte in vielen Fällen allerdings nicht bestehen. Selbst wenn so ein Entschädigungsanspruch bestehen sollte, kann in den Versicherungsbedingungen vereinbart sein, dass die Versicherungsnehmer berechtigt sind, vom Versicherer ein zinsloses Darlehen in Höhe der Versicherungsleistung zu verlangen. Mit dieser Regelung soll den versicherten Unternehmen eine schnelle Hilfe ermöglicht werden.

Kann die Versicherung den Schaden ablehnen?

Dann sollte ein Fachanwalt für Versicherungsrecht hinzugezogen werden.

Was muss bei einer Schadenmeldung beachtet werden?

Wichtig ist, dass alle Anzeigepflichten und Obliegenheiten erfüllt und dem Versicherer auch alle erforderlichen Unterlagen zur Verfügung gestellt werden

Denken Sie bitte unter anderem an folgende Informationen und Unterlagen:

  • unverzüglich Meldung des Versicherungsfalls (innerhalb von 1 bis 2 Wochen nach Schließung des Betriebs)
  • unverzüglich Meldung der Schließung an das Gesundheitsamt und Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen
  • eventuell Lohnabrechnungen der von der Schließung betroffenen Mitarbeiter einreichen
  • eventuell betriebswirtschaftliche Unterlagen wie BWAs übersenden, um den entgangenen Gewinn zu belegen (Übersendung der BWAs der letzten drei Geschäftsjahre)
  • eventuell weiterlaufenden Kosten auflisten und durch entsprechende Unterlagen belegen
  • mit der Schadenmeldung empfiehlt es sich, eine Frist von 1 – 2 Wochen zur Regulierung des Schadens zu setzen

Ertragsausfallversicherung vs. Betriebsschließungsversicherung

Versichert ist hier der entgangene Betriebsgewinn und die fortlaufenden Kosten einschließlich Gehälter aufgrund eines Sachschadens wie z.B. verursacht durch

  • Feuer (Brand, Blitzschlag, Explosion)
  • Einbruchdiebstahl einschließlich Vandalismus und Raub
  • Leitungswasser
  • Sturm/Hagel
  • Elementargefahren (ohne Sturm/Hagel) wie Überschwemmungen und Erdbeben

*Kostenpflichtig über den VDB-Physiotherapieverband zu erwerben.

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